Aus Wiesentheid in die Welt - BRK international
Bereits im Jahr 2009 absolvierte Veronika Purrer aus der BRK Bereitschaft Wiesentheid ein Auslandsjahr in Indien. Damals brachte sie ihre Erfahrungen als Rettungssanitäterin in der medizinischen Entwicklungshilfe und der Breitenausbildung ein. Nun, kurz vor Abschluss ihres Medizinstudiums, hat es sie wieder nach Indien verschlagen. Der folgende Brief und die Bilder verdeutlichen anschaulich, mit welch eingeschränkten Mitteln Veronika zur Zeit "Medizin machen" muss:
"Vanakam liebe BRK'ler,
nach erfolgreichem Abschluß des siebten Semesters meines Medizinstudiums trete ich nun zum zweiten Mal meine Reise nach Indien an. In einem kleinen Krankenhaus nahe Chennai, Tamil Nadu (Südindien) leiste ich nun zusammen mit einer Kommilitonin die für unser Studium benötigte Famulatur ab. Da ich 2009 ja schon länger in Indien lebte, sind mir viele Dinge noch vertraut und erleichtern die Eingewöhnung.
Unser Campus befindet sich in einem ziemlich kleinen und abgelegenen Ort (Chetpet). Manche für uns alltäglichen Dinge werden dadurch leider erschwert. Internet oder gute Busanbindungen sind Mangelware. Wir leben auf einem ruhigen, grünen und vor allem für indische Verhältnisse sehr sauberen Gelände in einem kleinen Häuschen mit eigenen Zimmern und Bad. Neben den Wohnungen und Häusern der Schwestern, Ärzte und Nonnen befinden sich noch eine kleine Farm und eine Kapelle auf dem Campus.
Das Krankenhaus umfasst insgesamt ca. 250 Betten. Neben der Station für Innere Medizin, gibt es auch eine Privat-, Kinder- und chirurgische Abteilung. Zudem ist das Krankenhaus spezialisiert auf Leprakranke, welche in Indien immer noch sehr häufig zu finden sind. Drei- bis viermal die Woche kommen noch Ärzte anderer Disziplinen von außerhalb, wie beispielsweise HNO, Orthopädie, Radiologie oder Gynäkologie.
Da das Krankenhaus ziemlich abgelegen liegt und die meisten Patienten nicht ausreichend für die Behandlung zahlen können, hat es zunehmend Probleme die Ärzte zu halten. Diese geben leider vermehrt ihre wenig lukrative Sprechstunde dort auf.
Unser Arbeitstag beginnt um sechs Uhr nach der morgendliche Messe mit einer Frühbesprechung und dem Visitengang. Danach nehmen wir an den Sprechstunden der unterschiedlichen Fachbereiche teil. Das Patientengespräch wird in der Landessprache Tamil geführt. Praktische Tätigkeiten sind meist ziemlich rar. Die körperliche Untersuchung beschränkt sich nur auf das allernötigste, auskultiert wird über der Kleidung und die meisten Diagnosen sind "Blickdiagnosen". Lernen können wir viel über "tropische", in Deutschland kaum verbreitete Krankheiten. Alltäglich sind natürlich Gastroenteritiden (meist Typhus), Pneumonie und Diabetes, aber auch Infektionskrankheiten wie Malaria, Dengue-Fieber, Tuberkulose und Lepra. Außerdem sehen wir sehr viele suizidale Insektizidvergiftungen, sowie Schlangen- und Skorpionbisse (nicht gerade beruhigend, wenn man im Dunkeln über den Campus läuft...). War der Patient schnell genug, konnte er seinen "Fressfeind" manchmal sogar noch töten und asservieren.
Ein richtiges Rettungssystem gibt es hier auf dem Land nicht. Zwar werden "Ambulanzen" unterhalten - diese sind aber lediglich mit einer Trage und einem Fahrer ausgestattet. Zudem liegt das nächstgrößere Krankenhaus mindestens 2 Stunden entfernt.
Neben der Leitung des Krankenhauses unterhalten die Schwestern auch mehrere gemeinnützige Projekte. So vermitteln sie beispielsweise Patenschaften für die Schulausbildung armer Kinder in vielen europäischen Ländern oder kümmern sich um die Förderung geistig behinderter Kinder.
Natürlich erleben wir auch abseits des medizinischen Alltags viele Dinge. Der Verkehr, der Lärm und das indische Essen allein sind schon viele, für mich altbekannte Erfahrungen. Das Wetter ist diesmal zwar wie immer heiß, aber oft vom heftigen Monsunregen begleitet. Die freie Zeit an den Wochenenden nutzen wir für Ausflüge in nahe gelegene Städte (also 5 - 10 Stunden entfernt). Ich konnte bisher viele Freunde aus meiner Indienzeit 2009 in Madurai wieder treffen und viele neue Orte, Tempel und historische Sehenswürdigkeiten erleben. Meist sind die Busreisen das Anstrengendste dieser Besichtigungen. In übervollen (nicht immer regendichten) Bussen reisen wir manchmal stundenlang stehend oder direkt am offenen Eingang sitzend. Aber trotzdem kamen wir bislang immer heil (wenn auch manchmal nass) an, was bei manchen Überholmanövern an ein Wunder grenzte.
Auch die Gastfreundschaft Indiens erleben wir täglich. So werden wir immer herzlich aufgenommen und wo wir auch hinkommen wird uns bereitwillig geholfen - auch wenn die Verständigung meist nur mit Händen und Füßen möglich ist.
Alles in allem genieße ich meine Zeit in Indien wieder sehr. Dieses Land mit seinen zwei Gesichtern - auf der einen Seite die schillernden Farben, prächtigen Tempel und Straßen voller Leben und auf der anderen Seite das viele Elend, der Lärm und der Dreck überall - bietet immer wieder neue Erlebnisse und ist immer eine Reise wert!"